Bend it like Beckham
heute ist körperlich betrachtet mein Tiefststand angekommen… nein, kein Magen/Darm, auch wenn mir das so Mancher gewünscht hätte. Auch nicht die gefürchtete Vogelgrippe, sondern Etwas, das mir vermutlich jeder minderbegabte, aber realitätsnahe Glaskugelkuschler hätte sagen können:
Ich war Fußball spielen. Und das war schlecht für Beine und Füße. Sehr schlecht. Mit schlecht meine ich eine Mischung aus Brennen und Blasen. Entweder ist in China Zeit so dehnbar, dass ich jetzt schon Muskelkater spüre, oder aber es war einfach verdammt unclever gegen das Uniteam zu spielen. Und wer mich kennt, der fragt sich nun eh, was China aus mir gemacht hat. Und nein, ich liebe kein Fußball und ja, ich war nicht betrunken und dachte auch nicht, dass ich spontan sportlich geworden bin. Jetzt habe ich ja die Rechnung auf dem Tisch und ich liege im Bett. Ziemlich fertig,… vielleicht schaffe ich so zu bloggen.
In einem Anflug von bescheuertem Bewegungsdrang wollten eine Freundin und ich Badminton spielen. Soll hier ganz einfach sein, haben sie gesagt. Da tust du was für deinen Körper, haben sie gesagt. Was sie nicht gesagt haben: Sprachbarriere pur! Nach etwa 10 Minuten hatten wir tatsächlich die Badmintonhalle gefunden. Ein bischen fragen, dazu etwas guter Wille und zack! Steht man vor der Halle.Von da an, war die Sache eine Einbahnstraße in Richtung Planlosigkeit. Die Halle sah verlassen aus. Und irgendwie hingen Vorhänge im Eingang – was unter Umständen daran gelegen haben könnte, dass es einfach die falsche Seite war. Okay, zur anderen Seite des Gebäudes – Problem gelöst. Zumindest der Teil mit der falschen Seite. Immerhin. Nur leider haben wir in 20 gequält schauende Augenpaare geschaut, die dem Ton des Typens mit Pfeife zu Folge, ziemlich frisch gemacht wurden. Daher kein Badminton für mich! Sondern erstmal nen Kaffee. Gute Idee! Ab da nahm die Sache ihren Lauf. Pardon, unheilvollen Lauf… Fußball gekauft, verabredet, zuhause umgezogen, zum Fußball und LEIDEN. Wo wir durch Einsatz, also barbarische Kampfschreie und einer Menge unnötiger Sprinteinlagen glänzten, zeigten uns unsere chinesischen Gegner, wo der Hammer hängt. Schnelles Passspiel, Dynamik, Athletik und überlegene Technik waren die Methode, die mich zum Verlust in meinen Beinen geführt haben. Es hatte etwas von einem Massaker.
Das war Freitag und heute ist inzwischen Sonntagmorgen. Die Beine tun immernoch weh und mein Rücken fühlt sich an, als hätte eine Planierraupe darauf eine Steppkurs belegt. Passiert. Ich werde mich bestimmt daran gewöhnen. So viel zu meinem körperlichen befinden. Ich geb der Sache mal eine 3 von 10.
In der letzten Woche ist so viel passiert und das Wochenende war auch spannend – da vermisse ich nicht mal verbotene Liebe oder Marienhof. Aber ich fange mal bei den Dingen des Alltags an: Unterricht.
Fast jeden Morgen beginn mein Unterricht um 8.20 Uhr. Das bedeutet für mich stolzen Fahrradbesitzer, der momentan noch nicht Fahrrad fährt, dass ich um 7.20 Uhr los muss und dementsprechend früh aufstehen. Dafür habe ich meisten gegen 11.40 Uhr aus, was die Sache dann doch deutlich angenehmer macht. Außer Mittwochs, aber man kann nicht immer den Jackpot ziehen. Im Unterricht wird eigentlich nur chinesisch gesprochen und es ist dementsprechend anstrengend für mich. Insgesamt betrachtet, versuchen wir diszipliniert an die Sache ranzugehen. Dennoch muss ich im Rahmen meiner nicht vorhandenen Kompetenz ab und an meinen Banknachbarn mit Kleinigkeiten nerven, was aber aufgrund meines schlechten Chinesisches durchaus von den Lehrern toleriert wird. Glaub ich. Wenn nicht, dann merke ich es nicht. Trotzdem fein aus der Sache raus. HA! Wobei hier zu sagen ist, dass Respekt eine sehr große Rolle spielt und der Lehrer niemals zulassen würde, dass ich mein Gesicht verliere. Der Arme und das, wo ich doch so schlecht bin… Nicht einfach hat er es. Aber was soll ich sagen?! Im Unterricht wird auch nicht gegessen und getrunken. Es hat hier etwas von Schule, nur mit Gefühl, dass Planlosigkeit neben Jack Daniels mein treuster Begleiter ist. So treu war mir Jack Daniels noch gar nicht. Wir waren erst einmal feiern. Das dafür dann bis 7 Uhr morgens. Aber dazu komme ich gleich noch. Der Unterricht macht schon Spaß, so weit ich in verstehe. Und ja, mein Verständnis ist nicht so verheerend schlecht, dass gar nichts geht, sondern ich habe zumindest das Gefühl das Meiste zu verstehen. Das könnte jedoch auch in die gefürchtete Kategorie der Potentialhalluzination fallen. In manchen Fällen kann es sich aber um die noch viel katastrophalere Potentialillusion handeln. Ich wandle einen schmalen Grad, der zusehendst schmaler wird. Seiltanz, Baby! Neben meinen sehr anstrengenden und am Anfang auch eher eine Lektion in Demut erteilenden Chinesisch Kursen, belege ich auch einen englischen Wirtschaftskurs namens Chinese Economics. Das ist eine Mischung aus Geschichte und Funktionsweise der chinesischen Volkswirtschaft. Der Kurs ist eigentlich für Yale Studenten, jdoch scheint jemand bei uns guanxi, also Beziehungen zu haben. Und deshalb dürfen wir teilnehmen. Nach einem Mal muss ich sagen, dass das echt keine Rocketscience ist und meine Mitstudenten ohne to get wohl gar nicht artikulieren könnten. Die Ausdrucksweise hat etwas von George W, aber naja, zumindest ist Yale teuer…
Wenn jemand Fragen hat – ihr könnt mir gern welche Stellen. Und wenn es mein permanenter Zustand der Überforderung zulässt, werde ich auch darauf eingehen.
Nach meiner Lektion in Fußball war der Tag aber noch längst nicht vorbei am Freitag ist nämlich Propaganda angesagt. Und es ist genauso spaßig wie es klingt. Und als Ausländer kommt man umsonst rein. Jawoll, endlich mal Vorteile. Wobei ich eher hineingehumpelt bin – was soll‘ s. Nach dem ein oder anderen Getränk ging es dann ganz gut – Quittung ist gekommen, keine Sorge. Bis in die frühen Morgenstunden gab es ganz ordentlichen Hiphop. Ich kann damit echt gut leben. Macht Spaß hier. Macht so viel Spaß, dass es 7 Uhr wird und man beim McDonalds frühstücken muss, weil die Burger aus sind. So ein Blödsinn. Ich kann auch BigMac frühstücken – mein Magen ist hier eh sehr angestrengt…was heißt angestrengt – er fühlt sich wie eine Achterbahn mit Nachbrenner an. Manchmal kein Spaß und immer häufiger unlustig. Naja, such is life. Deshalb habe ich gestern auch erstmal zwei Gänge runtergeschaltet.
Mein Vermieter dafür nicht. Da die Wohnungen nicht isoliert sind und er keinen Sinn für leises Sprechen hat, kam es mir dann um 8 Uhr so vor, als würde er neben mir stehen. Furchtbare Vorstellung. In meinem Zustand, neben meinem Bett, mein Vermieter. Grausam. Dann doch lieber die Norwegerin aus dem Propaganda. Naja. Auf alle Fälle bin ich dann um 10 Uhr aufgestanden. Und mir ging‘ s recht gut. Dann habe ich mich gestern mit 2 Sprachpartnern getroffen. Interessante Sache, sage ich euch. Heute nochmal 2! Ich will Chinesisch lernen. Ja!
Die eine war 29 und arbeitet in einer Firma, in der ihr es keinen Spaß macht – deshalb studiert sie abends BWL und Englisch, um später richtig reich zu werden. Die Andere ebenso. Das ist eine interessante Atmosphäre, von der sich Deutschland gerne etwas abschauen könnte. Es ist ein Streben nach Erfolg, um dann … konsumieren zu können. Das Ziel heißt nicht Unabhängigkeit, sondern Versace und Konsorten. Es fühlt sich so an, als müsse der Konsum nachgeholt werden. Und wenn man dafür studieren muss, dann studiert man eben jeden Tag. Sehr krass.
Und nach 5 Stunden Übung konnte ich mich das erste Mal mit einem Taxifahrer unterhalten – Hail to the King! So muss das laufen. Er war ganz beeindruckt von mir – könnte auch meine Statur oder was auch immer gewesen sein, aber er war beeindruckt. Und das ist auch gut so. Denn ich bin es auch. Also beeindruckt. Und das immer wieder aufs Neue in Peking.
Thema beeindrucken – das könnte uns managementtechnisch in die Richtung der Vision bewegen. Hier ist zu beachten, dass das ein riesiges Thema ist und ich gleich noch Hausaufgaben machen muss, was durch die streitenden Chinesen auf der Baustelle neben mir nicht unerheblich erschwert wird. Jetzt wird es laut! Ach ja, auch hierzu gibt es einen interessanten Artikel im HBM – aber mit Fokus auf Frauen. Nachdem ich einige Frauen in Führungspositionen kennen gelernt habe, werde ich zu diesem Thema später noch zurück kommen. Für den Anfang könnten wir das Vision-thing (der Begriff kommt im Übrigen von Georg Bush) als vorausschauendes Denken mit dem andere inspiriert werden, bezeichnen. Natürlich ist das noch viel vielschichtiger in den Aufgaben der Vision, aber wir fangen erstmal langsam an. Bei mir ist es gerade 9 Uhr morgens. Ein Punkt ist aber wichtig – die meisten Visionen basieren meistens nicht auf tiefergehenden Analysen und Fakten, sondern Spekulationen, also Unsicherheit. Und die Fähigkeit mit Unsicherheit umzugehen erscheint mir als ein Schlüssel zu visionärer Führung. Erkennt Risiken, wägt sie ab und los geht’s. Hier darf auch gern ins Detail gegangen werden. Ich sage es anderes: Es muss! Jemandem geben, der sich darum kümmert, sonst geht die Umsetzung den Bach hinunter. Keine Umsetzung, keine Kekse. Nach mehr als 2 Jahrne studentischer Unternehmensberatung habe ich verschiedene Erfahrungen zum Vision-thing gemacht. Gerade in meiner Rolle als Vorsitzender hatte ich die Freude, besonders durch Misserfolge, zu lernen, was es damit auf sich hat. Und wie heißt es so schön in der Forschung: The results are mixed.
Der wichtigste Punkt vorab: Vision ist keine Umsetzung! Und nur gute Umsetzung führt zu Ergebnissen. Warum gehe ich trotzdem auf die Vision ein? Weil es Zeiten gibt, in denen man Visonen bzw. einen visionären Führungsstil braucht. Besonders, wenn es darum geht, einen neuen Kurs einzuschlagen. Aber auch hier etwas: Macht eure Hausaufgaben! Das bedeutet, bevor ihr anfangt große Reden zu schwingen, mit denen ihr Kegelvereinvorsitzender werden könntet, habt ihr euch zu informieren. Fundierte Analysen sind angesagt! Widerspreche ich mir? Teilweise. Ohne eine gute Fundierung ist es für mich sehr schwer eine Vision zu formulieren mit der ich überzeugen kann. Und da Visionen kein Selbstzweck sind, sondern es um messbaren Erfolg geht, sollten Vision nie rein aus der Luft gegriffen sein.
Ich wurde ab und zu gefragt, wie ich das mache – also das Vision-thing. Dazu habe ich den ein oder anderen Ratschlag:
Versucht die Bedeutung von Visionen zu verstehen und noch wichtiger – lernt das richtige Timing. Auch wieder so eine Umsetzungsfrage. Warum ich euch nicht die Bedeutung präsentiere? Weiß ich sie nicht? Bin ich nicht mehr ich, sondern ein Chinese? Wo werde ich frühstücken? Oh, entschuldigt die Abschweifung… die Bedeutung ist so klar, wie chinesischer Milchtee – es hängt von eurem persönlichen Führungsstil ab. Wenn ihr ihn noch nicht kennt – sucht euch jemanden, der das beurteilen kann.
Netzwerk. Ein gutes Netzwerk ist das A und O, um strategische Analysen durchzuführen. Außerdem macht networken Spaß und man gut essen dabei – verdammt da ist das Frühstück wieder. Versucht sowohl intern, als auch extern ein gutes Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Das vereinfacht die Sache deutlich.
Mentoren. Sucht euch Vorbilder und Mentoren. Sprecht mit diesen eure Visionen durch, gerne auch im Entwurfsstadium. Beobachtet eure Mentoren und lernt! Das ist genauso schwer, wie es einfach klingt. Außerdem helfen Mentoren beim networken.
Und noch was – das werden die meisten Menschen an mir nicht leiden können. Trotzdem wichtig. Redet von Anfang an darüber. So seht ihr, wie gut das Ding ist, was ihr formuliert habt. Netter externer Effekt: Die Menschen werden euch für visionär halten! Und wenn ihr eure Vision umsetzt, dann wird eure Reputation wachsen, was das Netzwerk stärkt.
Klingt alles machbar, oder? Teil 2 gibt‘ s demnächst. Ich geh mir jetzt eine Nudelsuppe suchen…